Di. 30 Okt., 2012
Mitternacht, Kurt-Krömer-Late-Night-Show-Zeit. Kurtchens hinter einer Berliner Schnodderschnauze versteckte Subtilität empfinde ich schon allein als Kracher, aber heute Nacht zeigte sich: Es geht immer noch schlimmer. Und das lag an dem von mir sehr verehrten Serdar Somuncu.
„Political correctness“ hieß das Thema der Sendung, und gleich zu Beginn zählte Krömer ein paar No-Gos von seiner Liste auf: „Sagen wa jetzt mal, da ist was nicht ganz koscher, dann sagen wir nicht ,Det is‘ jetürkt‘, sondern ,Det is‘ gesüdosteuropäischt‘.“ Kurz darauf: „,Negerküsse‘ geht zum Beispiel gar nicht, das ist nicht pc, Negerküsse ist auf der schwarzen Liste wirklich ganz oben.“
Waren das nur Kalauer? Nein, denn ganz beiläufig zeigte Krömer, dass unsere Sprache voller Anspielungen auf andere Religionen (koscher), Hautfarben (schwarz, Neger) und Nationalitäten (Türken) steckt. Was politisch korrekte Sprache für Wortungetüme schafft, demonstrierte er an seiner korrekten Bezeichnung für Negerküsse, den „oralen Zuneigungsbeweisen dunkel pigmentierter Minderheiten“. Ganz und gar nicht political correct beschimpfte Krömer seine Mitarbeiter und rechtfertigte sich hinterher damit, dass er das ruhig machen könne – die verstünden eh kein Deutsch und seien billiger. Um dann grinsend zu verkünden: „Political correct heute, sehr verehrte Damen und Herren, hat alles mit dem Imagewechsel zu tun.“ Und fügte treuherzig hinzu: „Bin anders jeworden!“ Was viele nur als Trash betrachten, ist in Wahrheit ein Spiegel – Krömer versteckt hinter der Neuköllner Fassade einen Spiegel, im dem wir die hässliche, bigotte Seite, den puren Zynismus unserer Gesellschaft sehen.
Ähnliches beabsichtigt der Künstler Serdar Somuncu – nur noch viel krasser. Als er sich – noch Comedian-like – bei Krömer als „außen deutsch, innen türkisch“ vorstellt, lachen viele. Aber als er nach mit einem seitwärts ausgestreckten rechten Arm konkretisiert: „in der Frau auch innen türkisch“ und mit markanter, parolengeübter Stimme „In der deutschen Frau besonders!“ nachlegt, bleibt es erstaunlich still. Somuncu ist so zynisch, dass das Publikum oft nicht weiß, ob es lachen darf, soll oder gar muss. Denn Somuncu kann verstörend „deutsch“ wirken – vielleicht auch, weil er sich auf der Bühne intensiv mit Hitlers „Mein Kampf“ auseinandergesetzt hat, rund 1500 Mal aus diesem Pamphlet vorlas, um es zu entzaubern. Vor Interessierten, Schülern, Kritikern und ihm ausgesprochen feindlich gesinnten Nazis, teils unter Polizeischutz und mit kugelsicherer Weste.
Aber zurück zu Krömer: Es erstaunt, wie leicht es ihm und seinem Gast gelingt, zwischen schuljungenhaftem Geblödel und ernsthaften Themen hin und her zu springen. Eben noch ziehen sich beide die Hosen aus und albern im mit Blümchendecke bezogenen Bett herum, und keine 5 Minuten später sinniert Somuncu über sein Programm, in dem er flächendeckend beleidige und ihn dem ihm auffalle, dass diejenigen, die aktuell betroffen sind, am meisten zetern. Aber auch am lautesten mitlachen, wenn über andere Minderheiten gelacht werde. Oder dass es nicht Krömers und sein Auftrag sei, stumpf zu unterhalten, sondern die Zeit mit irgendwas zu füllen. Nein, Somuncu ist kein Blödelbarde.
Zusammen bildeten beide ein Dreamteam, das intelligente Unterhaltung zustande brachte. Schade, dass die immer nur nachts stattfindet, während es in der Prim Time sachte dahinplätschert…
Wer sich ein eigenes Bild machen möchte, findet die Folge hier: Krömers Late Night Show
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