…wo ich bzgl. Firefox schon dabei war, was auch mal gesagt werden muss:

Nach welchen Maßstäben werden im Augenblick GUIs in die Welt gestreut?

Beispiel: Microsoft Office 2010. Die gesamte OS-UI-Bedienphilosophie wird über den Haufen geworfen. Nagut, mag man geneigt sein zu sagen: Gab es denn überhaupt eine?

Die Office-Suite schmiegt sich mal rein gar nicht in irgendein noch aktuelles OS aus Redmond. Die Icons sehen anders aus, Bedienflächen in der Titelleiste (!), Ribbons, Downloads/Uploads durch Extra-Applikation (noch eine…, Clutter neben der Uhr). Schon mal versucht, den Out-of-Office-Assistenten in Outlook zu finden? Völlig klar, der ist unter „Home“. Was auch immer „Home“ ist. Um etwas rückgängig zu machen klickt man (völlig logisch) in die Titelleiste, gleich links neben „Microsoft Word“. Ebenso wie zum Speichern. Zum Senden und Empfangen gibt es ein Extra Menü im Ribbon. Das braucht man aber nur zum Empfangen, denn für das Senden muss der Ribbon nicht gewechselt werden, denn gesendet wird automatisch mit dem Knopf im Fenster, wo man die Mail geschrieben hat. Logisch oder? (Die Frage stelle ich nur deswegen, weil ich die Gruppierung nicht gemacht habe. Aber wenn man schon Senden und Empfangen gruppiert…)

Auch die Funktionalität ist der Hammer. Word (dienstlich genutzt, nicht von mir administriert) ist instabil wie sonstwas. Wo Word 2003 aber nur manchmal kommentarlos abstürzte, bleibt Word 2010 so dermaßen persistent als Prozess erhalten, dass alle Versuche, den Prozess zu killen, scheitern. Da geht sogar ein Extra-Task auf, dessen Fenster sagt, dass Word zu beenden versucht wird, eine lange halbe Minute lang. Natürlich ist während dieser Zeit an ein Arbeiten nicht zu denken, da der gesamte (XP32)-PC (3GB, Core i5) blockiert ist. Nicht mal herunterfahren ist möglich (!). Auch dafür gibt es ein neues Popup-Window, das wohl kaum Bestandteil von XP gewesen sein dürfte (das sollte ich zwischen 2001-2011 schon gesehen haben).

Die anderen Office-Applikationen sind gleich tief im System verankert. Hatte das nicht eigentlich mal geändert werden sollen (EU-Regelungen bzgl. Browserintegration)? Das sieht schlimmer aus als zuvor – und auch dieser Aspekt kann als Verletzung der eigenen Design-Regeln gelten. Wie gut, dass Regeln nur für andere sind.

Einen habe ich noch: Wer würde mir recht geben, dass die Postfach-Komprimierung unter Outlook eine Aufgabe ist, die inhaltlich unter „Mailbox-Cleanup“ fallen dürfte? Tja. Falsch gedacht. Komprimierung der PST-Datei ist die einzige Funktion, die ich an der Stelle vermisse. Und tatsächlich sagt die Hilfe auch, wie man an die Funktion wirklich herankommt.

Nicht, dass irgendwelche Mißverständnisse aufkommen: Apple ist keinen Deut besser. Oder wie erklärt man sinnvoll den aufgezwungenen Default beim Scrolling mittels Mausrad/Touchpad, zu allem Überfluß „natural scrolling“ genannt? Zum einen ist das das komplette Gegenteil von dem, wie es bisher – bei Apple!- bei Auslieferung gehandhabt worden ist. Zum anderen ist das widersinnig. Während man bei IOS-Geräten direkt auf der Touchscreen-Oberfläche arbeitet und keinen Mauspfeil steuert, sind bei Macs Eingabemedien dazwischen (Maus, Touchpad, …) – und man steuert in aller Regel den Pfeil und nicht die virtuelle Oberfläche darunter (was das Schieben erklären könnte). Unlogisch hoch drei.

Es gibt noch mehr. Updatet Aperture unter Lion, um z.B. den Fullscreen-Mode von eben jenem zu nutzen und dann startet ihn mal. Ihr werdet überrascht sein, dass er nicht so funktioniert, wie irgendein anderer Fullscreen-Modus von Lion (wenn er denn funktioniert). Nehmen wir seriöserweise den Fullscreen-Modus von Safari. Man klicke auf die beiden Maximierung deutenden Pfeile ganz oben rechts. Wir überprüfen jetzt nicht die Bugs in der Darstellung. Wir gucken nur, wie wir aus der Nummer wieder rauskommen. Wir fahren mit der Maus nach oben und es erscheint die gewohnte Menüleiste und ganz rechts, gleich neben der Uhr, befinden sich erneut Pfeile, blau invertiert. Die angeklickt und Safari ist zur Ordnung gerufen. Bei Aperture tut sich gar nichts. Jedenfalls, wenn man den Mauspfeil nicht ziemlich mittig im Bildschirm nach oben fährt. (Ich habe den Mauspfeil auf der rechten Bildschirmseite hochgefahren. Wie dämlich von mir.) Dass auch dann das Verhalten nicht konsistent ist (es öffnet sich eine Leiste mit Bedienelementen und den benötigten Pfeilen, die aber auch weder blau, noch invertiert sind) mag man (hoffentlich durchgeführten) Usability-Studien zurechnen.

Wahrscheinlich habe ich es noch nicht verstanden. Mag sein, dass ich noch arbeiten kann, da ich für fast alles lieber Keyboard-Shortcuts verwende. Hatte ich jedoch schon Mühe, dem einen oder anderen zu erklären, warum er für „Beenden“ auf Starten klicken müsse – jetzt kennt sich gar niemand mehr aus. Meines Erachtens wird immer weniger standardisiert. Dabei waren die Design Principles, egal ob von Apple oder Microsoft, einst wenigstens Richtlinien, die ein einheitliches Bild versprochen haben.

Ist das die Kapitulation der Usability? Oder das Einknicken der Developer vor der Marktmacht? Oder der Sieg der Usability? Ich weiß es nicht. Meiner Ansicht nach sind Computer immer noch nicht weniger komplex zu bedienen geworden. Deswegen sind wir vom „Computer für Jedermann“ immer noch weit entfernt. Und sämtliche Schulungseinrichtungen/Trainer brauchen sich über ihre Jobs keine Gedanken machen.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.