4 verschiedene Bahnlinien sollen innerhalb von 20 min am Leuchtenbergring durchfahren. Macht rechnerisch 5min Abstand zwischen zwei Zügen. Rechnerisch. Praktisch vergehen 12 min zwischen dem einen Zug, den ich verpasste und dem planmäßig nächsten Zug. Die restlichen drei Linien stapeln sich dann – planmäßig – innerhalb von den verbleibenden 8min. Grandios. In der Zwischenzeit fahren auf dem anderen Gleis zwei Einsetzer durch, Einsetzen ab Ostbahnhof. Da kann man nichts machen, Leuchtenbergring gehört eben nicht zur Stammstrecke. Ich tu lauthals meinen Ärger kund. Verwirrte Leute sehen mich fragend an. Müssen von auswärts sein. Um 19.30 Uhr auf dem Bahnhof sein und nochmal zum Marienplatz, um was einzukaufen? Das klappt nur selten. Dabei dauert die Fahrt keine 10min und man könnte die Strecke in 32min laufen!

Die zwanzig Minuten Verspätung auf der Heimfahrt von Arbeit buche ich unter „kann halt mal passieren!“ ab, so wie (fast) jeden Abend. Und jeden Morgen (Außer im Winter, da sind es zwischen 40min und einer Stunde; außer, es gab mal wieder einen Oberleitungsschaden an zwei Orten in der Stadt gleichzeitig, „Störungen im Betriebsablauf“ oder sonstwas). Kann ja niemand was für die Stammstrecke und in Kürze bohren sie die Stammstrecke auf; man wird für viel Geld ein zweites Nadelöhr kreieren. Damit werden die Münchner vermutlich die ersten sein, die zweimal dasselbe hinstellen und trotzdem keine Redundanz mit Ausfallsicherheit, geshweige denn zuverlässige Pünktlichkeit im normalen Betriebsablauf schaffen. Schwamm drüber. Mieten und Fahrpreise gehen trotzdem nur rauf. Bin schon seit Monaten am Überlegen, ob ich damit durchkäme, wenn ich meine Fahrkarten genauso unbeständig und reduziert bezahlen würde wie den eigentlich damit entlöhnten Service. Aber vermutlich nicht, das wäre wahrscheinlich meinerseits sogar eine Straftat und die Überlegung ist eh hinfällig; das Abo bekam ich nur über eine Lastschrifteinzugsermächtigung.

Dennoch war ich pünktlich am Hauptbahnhof. Gewusel. Ameisen, Chaoten. „Wir wissen zwar noch nicht, wann und wohin wir müssen, aber wir stellen uns schon mal in den Weg. Vorsichtshalber!“

Noch schnell einen Aufnäher kaufen, Versprochen ist versprochen. Und etwas Essen wäre auch nicht schlecht. Der Fan-Shop ist im Zwischengeschoss. Mit Schaudern fällt mir ein, wie die Bayern es mit Beschilderungen halten, habe mal ne halbe Stunde mit der Suche nach dem U-Bahn-Eingang verbracht.. Richtig – ich irre umher, nirgendwo ein Hinweis. Ich entscheide mich, die Suche abzubrechen (Essen ist wichtiger!) und steige die Treppen hoch. Da sehe ich ein Hinweisschild. Fanshop Pfeil nach unten. Und tatsächlich, da ist er. Zwischengeschoss ist nicht gleich Zwischengeschoss, vor allem, wenn offen bleibt, welches Zwischengeschoss bei Vorhandensein mehrerer denn nun als Zwischengeschoss zählt und welches nicht. Der nette Verkäufer weiß sofort, was ich will und die Sache ist in nicht mal einer Minute bezahlt. Zeit ist kaum noch, Essen also heute im Zug, Burger King ist fällig. Die nette Türkin an der Kasse hat kein Wechselgeld mehr, die Kassen der Kollegen sind alle zu. Als dann endlich ein weiterer Kunde kommt und bei dem Kollegen bezahlt, zählt sie das Münzgeld (10 Euro) lieber dreimal nach. Ach, richtig, Mathe. Ich bin unentspannt. Hetzend erreiche ich den Zug und stelle fest, dass er dieses Mal aus zwei Teilzügen besteht, zwischen denen es keinen Durchgang gibt. Und natürlich ist der reservierte Sitzplatz im am weitesten entfernten Waggon. Die Türen gehen zu, ich springe mit Koffer in die erste Tür des zweiten Teilzugs. Erste Klasse, noch ein Kilometer. Prima.

Meinen Trolli schleife ich hinter mir her. Rücksicht auf Leute, die meinen, der Gang gehört ihnen? Nur partiell. Der Unterschied zwischen gezwungener Raumnutzung und Arroganz  ist fließend, aber schon erkennbar. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Mir kommt ein Herr entgegen, ich halte an. Er drängelt sich durch, tritt mir dabei auf den Fuß. Entschuldigung ist Luxus. Kurzfristig überlege ich, ihm den Tritt in die Kniekehle zu retournieren. Ich entscheide mich, ab hier haben alle anderen Pech. So tackert der Griff meines Trolleys die in den Gang gehaltenen Hände mit Zeitungen in Bild-Größe ab. Hättet ihr mal lieber Welt kompakt gelesen! 🙂

Innendrin hat schon großes Stühlerücken angefangen; ich vertreibe jemanden von einem Platz, der gar nicht mir gehört.. Sie geht freiwillig, ihr gehört wohl der Platz schräg gegenüber. Auf meinem Platz sitzt dafür ein Pärchen. Medizinstudenten und/oder Doktoranden, genau weiß ich das nicht. Aber wahnsinnig wichtig, wenn man ihren Gesprächen folgt, beide. Jedenfalls so wichtig, dass Frau Magersüchtig ihre Umwelt nicht richtig antizipiert und mir gegen das Knie tritt. Schmerz lass nach. Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnte: Entschuldigung ist Luxus. Der Kerl mit Neurose oder Tick oder wie-auch-immer-man-das-nennen-mag (ich bin mir sicher, wenn überhaupt jemand weiß, was das für eine Krankheit ist, und wie man sie heilen kann, dann er selbst!). Jedenfalls strich er ihr ca. 2mal pro Minute mit der Hand ins Gesicht. Ich frage mich: Gibt das nicht Pickel? Hat er seine Hände sterilisiert?  Und ich keine Kopfhörer dabei, um mich davon per DVD ablenken zu können. Wo ist die Kettensäge?

Das iPhone im Zug nutzt nur wenig; in Bayern ist eigentlich dreißig Minuten von außerhalb Münchens Richtung Nürnberg kein Empfang. Das iOS spammt mich zu: „Das mobile Daten-Netzwerk konnte nicht aktiviert werden!“. Weitertippen nicht möglich. Hach, welche Usability… Den Fehler könnte man beim Schreiben einer SMS auch stillschweigend hinnehmen, muss den User nicht zum Tap nötigen – immerhin sind Textmessages dazu gedacht, in Austastlücken versendet zu werden. Da macht die Verzögerung bis zum nächsten Nicht-mehr-Funkloch auch nichts. Ganz abgesehen davon, dass ich eigentlich dachte, dass wir in einer Zivilisation leben. 3G? An der Schnellzugstrecke? I wo.

In Nürnberg steigt eine nette englisch-sprachige Dame ein. Ich besetze wohl ihren Platz. Sie hat kein Problem, den freien Platz neben mir zu benutzen, auch, wenn der am Gang liegt. Die beiden Mediziner störts nicht. War ja nicht anders zu erwarten. Bin nicht unglücklich – stelle mir vor, wie er alle dreißig Sekunden über die Wangen streichelt oder meine Backen zusammendrückt. Mir schaudert es wieder.

Noch vierhundertfünfzig Kilometer. Ächz.

[Update @ noch 350km]: Gehören rastlose Beine eigentlich zu den Symptomen bei Magersucht? Ich zähle bis jetzt 5 Tritte auf meinen linken Fuß, zwei Tritte gegen das rechte Schienbein und ein Tritt gegen das Knie. Überlege, ob ich sie nach ihrer Fachmeinung fragen soll, aber warte noch. Derweil ist der Kerl bei dem 60. Ins-Gesicht-Tatschen angekommen. Ey Kerl, Du bist gaga.

[Update @ noch 300km, 20.15 Uhr, beste Sendezeit]: Bei normalen Menschen sollte man annehmen, sie wüssten nach 15 Tritten meine bösen Blicke zu deuten. Das mir gegenübersitzende Mädel ist dagegen merkbefreit, meine Sensibilitätsschwelle, selbst zuzutreten, sinkt. Der Count steht bei 17. Allerdings habe ich ncoh was viel interessanteres festgestellt: Zahl der Verbindungsabbrüche von 3G und Hand-Tatsch-Count liegen ungefähr gleichauf. Mir fällt Barry Boots ein: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Dennoch wäre ich überzeugt, dass ER die Korrelation glaubhaft beweisen könnte!

[Update @ Jena Paradies] Mein Feind gegenüber träumt. Ich weiß sogar, wovon. Offensichtlich möchte sie Weitspringerin werden. Schneller Anlauf (tippel), Sprung (TRITT!). Nun bei knapp 20. Zum Glück keine schmerzhaften Knietritte mehr, sondern nur noch platzraubende Schuhleder-Hobler. Ich bin mal gespannt, wie lang sie ist, wenn sie denn mal aufsteht. Ich habe definitiv nicht viel Platz zum Beineausstrecken, d.h. sie sollte mindestens 190cm lang sein.

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