Ja, ich weiß. Zwar leben wir in einem pluralistischen Staat, dennoch gibt es ein paar Themen, zu denen man exakt eine Meinung haben darf.  Zum 11. September und der daran anschließenden „Sicherheitsdiskussion“ zum Beispiel. Oder zu Pädophilie. Natürlich: Ich mag mich nicht sprengen lassen. Und nicht nur zu meinem Schutz hasse ich Pädophilie.

Ein paar Fragen finde ich trotzdem so fragenswert, dass ich sie trotz allem Gegenwind mal stellen möchte: 

Wenn alle Pädophilie wirklich, wirklich hassen, wie kommt es dann dazu, dass sie nicht bekämpft wird? Nein, ich meine nicht den verzweifelten Versuch einer vermeintlich publikumswirksamen, sonst aber zahn- und schon im Vorfeld erkennbar praktisch nutzlosen Einführung von Zensur in Wahlkampfzeiten, gegen die Widerstände von Experten und zehntausender nicht-pädophiler Bürger.

Ich beziehe mich eher auf die Reportage 45 Minuten im NDR und die darin zu Wort gekommenen Ermittler und Ärzte. Es hat schon so viele Opfer – geschändete, ermordete Kinder – gegeben. Klar, ich selber habe keine Kinder, weder geschändete, noch überhaupt.

Aber darf ich dennoch mal fragen, wieso können die gehörten Fachleute behaupten und belegen, dass die Ermittlungsstellen unterbesetzt sind? Warum gibt es keine Fachärzte dafür, weder zur Therapie, noch zur Begutachtung in Verfahren? Warum kann man denjenigen Pädophilen, die sich beim Erkennen ihrer Krankheit/ihres Triebes selbst nicht gut fühlen, nicht helfen, bevor etwas passiert? Wieso hat der Gesetzgeber bis heute nicht erkannt, dass die Gesetze, das Strafvollzugsrecht, überhaupt nicht greifen, wie die hohe Rückfallquote zeigt? Wieso ist Sexualstrafrecht immer noch das Recht von Tat, Schuld und Bestrafung – anstelle vom Schutz der entstandenen und der zu vermeidenden Opfer? Und wieso gibt es Richter, die Täter zu Opfern machen, Verhandlungen, die die Kinder das Schlimme immer wieder durchleben lassen? Aber auch Demonstrationen gegen „Sexmonster“, die Mitte/Anfang der 2000er Jahre gesehene Lynchjustiz in den Niederlanden und den USA? Einen Staat, der sich dabei blamiert hat, rechtzeitig ein Problem – nämlich den dauerhaften Schutz seiner Gesellschaft vor untherapierbaren Subjekten – zu addressieren und sich dadurch selbst zum Rechtsbrecher gemacht hat?

Die Verteufelung dieser Themen ist zugleich die größte Gefahr. Jeder hat dieselbe Meinung.  Einer differenzierten Untersuchung und einer sinnvollen Problemlösungsstrategie ist das nicht zuträglich – jeder weiß das Ergebnis ja schon, ist Experte.

Den Thesen der Reportage mag ich mich größtenteils anschließen. Wir möchten unsere Kinder, unsere Liebsten, unsere nähsten Verwandten oder aber die Zukunft unserer Gesellschaft, mindestens die jedem von uns schutzbefohlenen kleinen, unschuldigen Geschöpfe, sicher aufwachsen lassen.

Wie wir dahin kommen ist die Frage.  Der jetzige Zustand ist nicht erträglich. Und zwar in keiner Richtung.  Wir sind ein Rechtsstaat und eine parlamentarische Demokratie.  Insofern dürfen solch wichtige Diskussionen wie um das Wohl unserer Kinder oder um unser eigenes im Rahmen der Terrordiskussion weder instrumentarisiert oder als Mittel der politischen Willensbildung benutzt werden, noch den Rahmen unseres Rechtsstaates  verlassen.

Absolute Sicherheit gibt es nicht.  Die einzige Pauschalisierung, die ich zulasse.

Eltern werden sich nach wie vor die Zeit nehmen müssen und nicht nur Hausaufgaben mit den Kleinen erledigen müssen, um ihnen eine Zukunft zu geben. Sie werden sie beschützen und auf sie achten, sie für das Leben erziehen und ihnen auch böse Dinge erklären müssen. Es wird weiterhin Straftäter geben. Verwandte in der Familie, die den sexuellen Missbrauch teils über Jahre betreiben. Und Terroristen. Flugzeuge werden vom Himmel fallen, ob per Bombe oder per technischem Defekt. Egal, wie nackt man sich macht. Egal, wie viele Videokameras man aufstellt, wie sehr man die Bevölkerung überwacht – es wird immer noch Delikte geben, sogar Morde.

Immer wird nur an Symptomen herumgeschustert, und das auch nur halbgar. Wieso haben denn Terrororganisationen solchen Zulauf? Aus zwei Gründen: Hass und Hunger, sich beides verstärkend. Statt (nur) Bomben zu werfen sollten räumlich wirtschaftliche Disparitäten global vermindert werden. Das wär doch zur Abwechslung mal ein langfristiges Ziel. Vermutlich sogar geldsparend. Und statt wieder Kinder zu Grabe tragen zu müssen sollte es staatlich finanzierte Therapieinstitutionen geben, Programme, um potentiellen Kinderschändern zu helfen, sich zu kontrollieren, um ein normales Leben zu führen. Kinder sollten aufgeklärt werden, welche Gefahren lauern.

In den paar Sätzen werde ich die Probleme dieser Welt nicht lösen. Aber mir für mich den Frust von der Seele reden, warum dieser Planet immer noch so weit von einem Ideal entfernt ist.

Wir brauche keine Inquisitionen, sondern vernünftige Lösungen.

In dem Sinne, obwohl es nicht leicht fällt: Lass bitte nicht nur Verstand regnen, sondern auch Vernunft. Danke.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.